Vor dem Fest: Mit Gelassenheit durch den Shutdown

Für viele bedeutet der aktuelle Shutdown besonders eines - Stress. Foto: Symbolbild
Für viele bedeutet der aktuelle Shutdown besonders eines - Stress. Foto: Symbolbild
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Landkreis Harburg/Seevetal. Geschäfte und Schulen haben geschlossen, Kontakte werden eingeschränkt, das öffentliche Leben heruntergefahren – Deutschland ist im Shutdown. Hinzu kommt: Die Weihnachtsfeiertage mit allem Stress, mit allen Erwartungen stehen vor der Tür. Das ist gerade für Familien, für Eltern ebenso wie für Kinder und Jugendliche, eine schwierige Situation. Das merken besonders die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Erziehungsberatung und im Sozialen Dienst der Abteilung Jugend und Familie des Landkreises Harburg. Sie geben Tipps für einen gelassenen Umgang mit dem Dauerstress, damit alle gewaltfrei durch die schwierige Zeit kommen – und sind ansprechbar.

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„Wir haben vermehrt Anrufe von Eltern, die ein verändertes Verhalten bei ihren Kindern feststellen. Manchmal sind sie mit den Nerven richtig am Ende und fragen sich, wie sie damit umgehen sollen“, berichtet Katrin Richter-Fuss, die Leiterin der Abteilung Jugend und Familie. „Fachkräfte melden sich im Rahmen von Kinderschutzberatungen, weil sie sich Sorgen um möglicherweise von Gewalt betroffene Kinder machen“, ergänzen die Psychologin Beate Calmano und die Kinderschutzfachkraft Gabriele Fried. „Corona ist für viele Erwachsene in diesem Jahr sowohl im beruflichen als auch privaten Bereich zu einer Dauerbelastung geworden. Die meisten Familien sind von Kita- und Schulschließungen, Quarantäne, Home-Office, Kurzarbeit oder Jobverlust betroffen.“ Gerade bei Alleinerziehenden und in Familien, die zuvor schon viele Sorgen und Nöte wie knappe finanzielle Mittel, körperliche oder psychische Erkrankungen haben oder von Gewalt betroffen sind, wirkt sich die Coronasituation doppelt belastend aus. Kommen Faktoren wie Kurzarbeit, Quarantäne und der Wegfall der Freizeitaktivitäten der Kinder hinzu, spannt sich die häusliche Situation stark an. Auch das Home-Schooling sowie die anschließende Rückkehr in den Schulalltag kann für Kinder und Eltern sehr herausfordernd sein.

Der Stress durch Corona kommt nach Beobachtungen von Beate Calmano und Gabriele Fried aber nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Jugendlichen an. „Die Kinder spüren die Anspannung der Eltern und haben auch ihre eigenen Belastungen.“

Das habe Folgen: Während manche Kinder in dieser Situation anhänglich werden und beispielsweise wieder bei den Eltern schlafen möchten, zeigen andere eher provozierendes Verhalten und Wutanfälle. Dabei übertreten sie auch Verbote und akzeptieren Grenzen wie Kontaktbeschränkungen nicht. „Ein gelassener Umgang mit all dem ist für Eltern und Erziehende eine tägliche, manchmal nur schwer zu bewältigende Herausforderung, bei der auch sie an ihre Grenzen kommen“, weiß Psychologin Calmano. Das sei auch ganz normal, ergänzt Kinderschutzfachkraft Fried. „Konflikte zwischen Eltern und Kindern gehören zum Familienalltag dazu – und manchmal geht es nur um kleine Dinge, die zu einem eskalierenden Streit führen, der nicht immer sofort gelöst werden kann.“ Da laute das Motto: „Tief durchatmen und Streitigkeiten in Ruhe lösen“.

Die Fachleute geben daher folgende Tipps für einen gelassenen Umgang mit dem Dauerstress: Eltern dürfen ohne schlechtes Gewissen sagen, dass sie sauer, wütend und vielleicht auch erschöpft sind, und es kann hilfreich sein, kurz durchzuatmen, bevor weitere Absprachen mit den Kindern erfolgen können.

Dazu kann es hilfreich sein, den Raum zu verlassen oder an die frische Luft zu gehen, bevor verletzende Dinge gesagt werden oder der Streit sogar körperlich eskaliert und das Kind bzw. der Jugendliche möglicherweise geschlagen wird, was alle hinterher bereuen.

Es müssen nicht immer sofort Lösungen gefunden werden. Eltern können auch später über die Situation mit ihren Kindern sprechen, wenn sich alle beruhigt haben. Kinder und Jugendliche haben natürlich ebenfalls das Recht, angespannte Situationen zu verlassen und sich auf ihre Weise zu beruhigen. Da kann es helfen, Musik zu hören oder nach draußen zu gehen.

Ist eine Situation eskaliert, sollten sich Eltern Hilfe holen und sich trauen darüber zu reden – auch mit den betroffenen Kindern. „Fast alle Eltern und Erziehenden haben schon einmal vor einer ähnlichen Situation gestanden“, so die Erfahrung von Gabriele Fried. „Der Austausch, wie es andere gelöst haben, hilft.“

Beratung und Unterstützung finden Eltern und Erziehende beim Landkreis Harburg in der Erziehungsberatung – Psychologische und sozialpädagogische Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern, in Buchholz, Telefon 04181 – 969393 und in Winsen, Telefon 04171 – 6939290, E‑Mail: erziehungsberatung@lkharburg.de sowie bei der Abteilung Jugend und Familie (Sozialer Dienst), Telefon 04171 – 693480 (Geschäftszimmer, montags bis freitags erreichbar) E‑Mail: jugend+familie@lkharburg.de .

Hier stehen Fachkräfte mit Rat und Tat zur Seite und haben ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Kinder und Jugendlichen sowie der Eltern. Sie informieren auch über weitere Unterstützungsangebote im Rahmen der Jugendhilfe. „Eltern müssen nicht perfekt sein“, machen Beate Calmano und Gabriele Fried Mut, das Angebot zu nutzen. „Sie dürfen Unsicherheiten und Fragen haben, sich Hilfe und Unterstützung holen. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung und eine gesunde Entwicklung, auch und gerade in schweren Zeiten wie Corona.“ Außerdem unterstützt die „Initiative Familien unter Druck“ Eltern und Kinder mit Kurzfilmen für starke Nerven. Sie geben Antworten auf Fragen, die viele Eltern beschäftigen – wie „Was kann ich tun, wenn mein Kind Angst hat?“, „Wie kann ich selbst – trotz Stress und Unsicherheit – positiv bleiben und den Familienalltag am besten gestalten?“ und „Was hilft, wenn die Nerven blank liegen?“ Die zwölf kurzen animierten Erklärvideos sind unter www.familienunterdruck.de abrufbar. (dh/ein)

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