Seevetal/Landkreis Harburg. Schüler, die an weiterführenden Schulen nach der vierten Stunde Schluss haben, müssen künftig vermutlich selbst sehen, wie sie nach Hause kommen. Der Landkreis Harburg will die Bus-Rückfahrten komplett streichen. Gleichzeitig sollen zwei neue mobile Blitzer angeschafft werden, die eine Million Euro jährlich in die Kasse spülen. Und bei den Flüchtlingsunterkünften soll massiv abgebaut werden.
Das sind nur drei von über 70 Sparmaßnahmen, mit denen Kreiskämmerin Annerose Tiedt in den kommenden fünf Jahren knapp 196 Millionen Euro zusammenkratzen will. Der Haushalt des Landkreises steht unter massiven Druck, ohne die Maßnahmen drohen Millionen Verluste – seevetal-aktuell.de berichtete. Die Redaktion stellt die wichtigsten und umstrittensten Maßnahmen vor, die gerade zur Diskussion stehen.
Schulbusse nach der vierten Stunde gestrichen
Die wohl umstrittenste Maßnahme trifft Schüler weiterführender Schulen direkt: Das Angebot der Schülerbeförderung für Rückfahrten nach der vierten Stunde soll komplett eingestellt werden. Das spart 155.000 Euro pro Jahr. Eltern müssen ihre Kinder dann selbst abholen oder die Schüler auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen. Auch bei der regulären Schülerbeförderung wird der Rotstift angesetzt: Durch intensivere Prüfung der Bedarfe sollen weitere 30.300 Euro im Jahr 2026 eingespart werden, in den Folgejahren noch mehr.
Schulen müssen mit weniger Geld auskommen
Die Sachkosten für allgemeinbildende Schulen werden pauschal um zehn Prozent gekürzt – das macht 108.200 Euro weniger pro Jahr. Noch drastischer: Bei geringwertigen Vermögensgegenständen wie Büromaterial oder kleineren Anschaffungen streicht der Landkreis sogar 20 Prozent. Diese Maßnahme allein bringt 214.400 Euro jährlich, über fünf Jahre mehr als eine Million Euro.
Zwei neue Blitzer sollen Millionen bringen
Während an vielen Stellen gespart wird, investiert der Landkreis in Geschwindigkeitskontrollen. Zwei weitere Messanhänger sollen angeschafft werden – einer davon bereits 2025, der zweite 2026. Pro Anhänger rechnet die Verwaltung mit Einnahmen von rund 600.000 Euro jährlich durch Bußgelder. Nach Abzug der Kosten für zusätzliches Personal bleiben effektive Mehreinnahmen von einer Million Euro pro Jahr. Über fünf Jahre macht das fünf Millionen Euro. Die Anschaffung kostet einmalig 220.000 Euro.
Massive Kürzungen bei Flüchtlingsunterkünften
Einen der größten Brocken macht der Abbau von Unterkunftsplätzen für Flüchtlinge aus. Die Anzahl der vorgehaltenen Plätze wird reduziert, außerdem rechnet der Landkreis mit weniger Zugängen. Dadurch sollen im Jahr 2026 4,16 Millionen Euro eingespart werden, 2027 sogar 6,35 Millionen Euro. Über fünf Jahre summiert sich diese Maßnahme auf fast 34 Millionen Euro.
+++ Melde dich jetzt für unseren WhatsApp-Newsticker an und erhalte die wichtigsten Nachrichten direkt auf dein Handy! – Hier klicken und abonnieren +++
Parallel dazu steigen die Benutzungsgebühren für die Unterbringung anerkannter Flüchtlinge von 180 auf 360 Euro pro Monat – ein Plus von 500.000 Euro jährlich. Auch die soziale Betreuung in dezentralen Unterkünften wird gekürzt: Die Förderung sinkt um 180.000 Euro im Jahr 2026 und um 170.000 Euro in den Folgejahren.
Gebäudewirtschaft spart Millionen
Der Betrieb Gebäudewirtschaft leistet einen erheblichen Konsolidierungsbeitrag: Insgesamt 500.000 Euro pro Jahr. Wie das geht? Die Pflegeintervalle für Außenanlagen werden reduziert – Einsparung: 300.000 Euro jährlich. Die Mittel für Bauunterhaltung bei Sondermaßnahmen werden um 200.000 Euro pro Jahr vermindert.
Kreisstraßen werden seltener kontrolliert
Beim Betrieb Kreisstraßen und Radverkehr werden die Pflegeintervalle gestreckt. Im Rahmen des Befahrungsprogramms werden Kreisstraßen künftig nur noch alle drei statt alle zwei Jahre kontrolliert. Auch die Ertüchtigung von Regenrückhaltebecken erfolgt langsamer: nur noch eines statt zwei pro Jahr. Diese Maßnahmen sparen 170.000 Euro im Jahr 2026 und 200.000 Euro im Jahr 2027. Über fünf Jahre kommen so 880.000 Euro zusammen.
Kreisumlage steigt um sechs Prozentpunkte
Die größte Einzelmaßnahme ist die Erhöhung der Kreisumlage um sechs Prozentpunkte auf 54,5 Prozent. Allein das bringt 25,2 Millionen Euro im Jahr 2026, über fünf Jahre summiert sich die Mehreinnahme auf 134 Millionen Euro. Die Kreisumlage ist der Beitrag, den Städte und Gemeinden wie Buchholz an den Landkreis zahlen müssen. Eine Erhöhung bedeutet also höhere Belastungen für die Kommunen – und letztlich für die Bürger.
Kultur muss verzichten
Im Kulturbereich fallen mehrere Kürzungen an. Die größte: Die Zustiftung an die Stiftung Freilichtmuseum wird dauerhaft gestrichen – 50.000 Euro pro Jahr, über fünf Jahre eine Viertelmillion Euro. Der Zuschuss an die Stiftung Bossard sinkt um 5.000 Euro, das Filmmuseum Bendestorf erhält ebenfalls 5.000 Euro weniger. Die überregionale Projektförderung Kunst, Kultur und Medien wird auf 25.000 Euro begrenzt – eine Kürzung um 25.000 Euro jährlich.
Ob alle Maßnahmen wie geplant kommen? Aktuell unklar. Zunächst beraten die Fachausschüsse, dann soll der Kreistag im Dezember 2025 über das gesamte Paket entscheiden. Landrat Rainer Rempe (CDU) betonte, man habe bereits Gegenmaßnahmen ergriffen. „Wir haben Anfang des Jahres mit deutlich höheren Verlusten gerechnet”, sagte er. Die Lage bleibe aber angespannt – besonders wegen der stark steigenden Sozialausgaben, auf die der Landkreis keinen Einfluss habe. (JOTO)



















