Landkreis Harburg entwickelt eigenes Schutzprogramm für den Kiebitz

Durch den Wandel seines natürlichen Lebensraumes ist der Kiebitz immer seltener zu sehen und zu hören. Landwirte und Landkreis Harburg ändern das und setzen Artenschutz gemeinsam um, um die Gelege und später die Küken zu schützen. Foto: Landkreis Harburg
Durch den Wandel seines natürlichen Lebensraumes ist der Kiebitz immer seltener zu sehen und zu hören. Landwirte und Landkreis Harburg ändern das und setzen Artenschutz gemeinsam um, um die Gelege und später die Küken zu schützen. Foto: Landkreis Harburg
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Seevetal/Landkreis Harburg. „Ki-witt, „Ki-witt“: Sein lauter, klagend-schriller Ruf macht ihn ebenso unverkennbar wie seine abstehende Federholle am Hinterkopf. Doch sehen und hören kann man ihn immer seltener: Der Kiebitz ist durch den Wandel seines natürlichen Lebensraumes bedroht – der Vogel des Jahres gilt als stark gefährdet. Auch im Landkreis Harburg sind die Bestände drastisch zurückgegangen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat die Abteilung Umwelt im Landkreis Harburg ein eigenes Schutzprogramm entwickelt und gestartet. Dabei setzt der Landkreis auf die Kooperation mit der Landwirtschaft.

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Rechtzeitig zu Beginn der Brutsaison macht der Kreis zusammen mit Vertretern der Landwirtschaft, der Landwirtschaftlichen Unternehmsberatung, der Stiftung Lebensraum Elbe, der Jäger und der Naturschutzverbände mit einem Schreiben auf den Kiebitzschutz und das Förderprogramm aufmerksam, um die Landwirte in der Elbmarsch für das Thema zu sensibilisieren – und bereits ist auf große Resonanz gestoßen. „Wir wollen uns gemeinsam als Partner für den Artenschutz einsetzen“, verdeutlicht Friedrich Benecke von der Abteilung Umwelt.

Das Programm zahlt sich aus, wie Ornithologin Wiebke Harneit mit Blick auf das vergangene Jahr feststellt. „Die Zusammenarbeit 2023 zwischen allen Beteiligten wurde als äußerst positiv bewertet.“ Auch das nasse Frühjahr habe den Vögeln genützt. Das alles trägt Früchte: Der Aufzuchterfolg hat sich im vergangenen Jahr gegenüber 2022 sogar verdoppelt, auf durchschnittlich 0,4 Jungvögel pro Brutpaar. „Aber um die Art zu erhalten, müssten rechnerisch mindestens 0,8 Jungvögel pro Brutpaar flügge werden.“ Insgesamt hat Wiebke Harneit in den Gebieten Eichholz, Tönnhausen, Oldershausen/Hunden, Fahrenholz, Borstel/Sangenstedt, Vogeley und an Drennhausen 100 Kiebitzbrutpaare ermittelt.

Das Programm wird daher fortgesetzt, um das Überleben der Küken zu sichern. Gerade Landwirte können mit oft kleinen Maßnahmen viel erreichen, ohne sich für mehrere Jahre festlegen zu müssen. So können Teilflächen für den Zeitraum der Jungenaufzucht aus der Bewirtschaftung genommen und dadurch sogenannte „Kiebitzinseln“ angelegt werden oder Strukturen an Gräben so hergerichtet werden, dass sie für den Kiebitz und die Küken attraktiv sind. „Je größer die Fläche, desto besser“, sagt Benecke. Ihren freiwilligen Naturschutzbeitrag und den damit verbundenen Mehraufwand oder die Ertragseinbußen können sich die Landwirte dann im Gegenzug finanziell honorieren lassen.  Für die Saison 2024 ist außerdem geplant, als Modell für eine im Einzelfall passende Fläche einen Zaun aufzustellen. So sollen die Gelege vor Fressfeinden wie dem Fuchs geschützt werden. „Diese Maßnahme wird in vielen anderen Schutzgebieten durchgeführt und trägt erheblich zum Schutz der Gelege bei“, so die Einschätzung von Wiebke Harneit.

Der Kiebitz ist seit Jahrhunderten fester Bestandteil der Kulturlandschaft, bei den alten Ägyptern galt er als Symbol der menschlichen Seele. Doch die Bestände des Kiebitzes in Deutschland sind in den letzten Jahren um fast 90 Prozent geschrumpft, auf bundesweit noch zwischen 42.000 und 67.000 Brutpaare, davon knapp die Hälfte im „Kiebitzland“ Niedersachsen. Der Vogel gilt als stark gefährdet und steht auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Auch im Landkreis Harburg gingen die Bestände drastisch zurück.

Ein Grund für den allgemeinen Rückgang: Der etwa taubengroße Bodenbrüter konnte sich nicht an die veränderte Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen anpassen. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft, die Zusammenlegung der Flächen im Rahmen der Flurbereinigung und die weitestgehende Umstellung von Beweidung auf Mahd machen es den Kiebitzen schwer, ihre Brut und Jungenaufzucht erfolgreich zu beenden. „Genau da setzen wir mit dem Förderprogramm an und wollen die Landwirte ins Boot holen“, verdeutlicht Friedrich Benecke. „Wir sensibilisieren für den Schutz und zeigen, wie Naturschutz und Landwirtschaft in Einklang zu bringen sind.“ Auch die bundesweite Auszeichnung als Vogel des Jahres setzt genau an diesem Punkt an: Der Kiebitz steht für die Vielfalt in der Agrarlandschaft. (dh/ein)

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