Seevetal/Hörsten. Es geht um rund 300 Waffen und etwa eine Tonne scharfe Munition. Bei einer Razzia am Junkernfeld in Hörsten beschlagnahmten Polizei und die Untere Waffenbehörde der Gemeinde Seevetal am vergangenen Dienstag nun weitere Waffen und entzogen dem 56-jährigen Besitzer Stefan K. sämtliche Berechtigungen, überhaupt eine Waffe oder Sprengstoff zu besitzen. Doch der Fall, der bereits im September 2020 begann, offenbart ein Versagen auf Behördenebene. Knapp 300 Waffen — darunter Kurz- und Langwaffen sowie Waffen, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen — wurden damals von der Oberen Waffenbehörde der Polizeidirektion Lüneburg beschlagnahmt. Unverständlich: Erst jetzt, knapp zweieinhalb Jahre später, sind genau diese Waffen Grund einer neuen Ermittlung der Staatsanwaltschaft.
Von Beginn an: Am 9. September 2020 durchsuchte die Staatsanwaltschaft Lüneburg das Haus am Junkernfeld in Hörsten. Mit einem Durchsuchungsbeschluss und der Unterstützung des Landeskrimnalamts beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft ein Butterfly Messer und etwas Munition. Zwei Tage später, am 11. September 2020, durchsuchte dann die Obere Waffenbehörde das Haus in Hörsten erneut. Hierbei fanden die Beamten rund 300 Waffen und weitere Munition — auf dem gesamten Grundstück verteilt. Die Gemeinde Seevetal — verantwortlich für die Untere Waffenbehörde — wurde im Nachhinein über diese Durchsuchung informiert: „Der Entschluss zur Durchführung der Durchsuchung wurde am 11. September 2020 außerhalb der Geschäftszeiten der Gemeinde Seevetal getroffen”, erklärt Tarek Gibbah, Sprecher der zuständigen Polizeidirektion Lüneburg gegenüber seevetal-aktuell.de.
Die Obere Waffenbehörde der Polizeidirektion Lüneburg beschlagnahmte die Waffen und die Munition. Von einer Straftat konnte damals noch nicht ausgegangen werden — schließlich habe der Beschuldigte K. auch diverse Waffenbesitzkarten und auf denen sind auch legal Waffen eingetragen.
„Nach Übergabe der am 11. September 2020 sichergestellten Gegenstände an die Gemeinde Seevetal — als zuständige Waffenbehörde — im Oktober 2020, erfolgte die weitere Bearbeitung von der Gemeinde selbst”, sagt Tarek Gibbah. Diese Übergabe dementiert die Gemeinde Seevetal. „Der Gemeinde liegen keinerlei Übergabeprotokolle von der Übergabe der Waffen und der Munition durch die Polizei an die Gemeinde Seevetal vor”, sagt Seevetals Bürgermeisterin Emily Weede gegenüber seevetal-aktuell.de. Die Gemeinde habe lediglich einen Aktenvermerk von Ende März 2021, worin festgehalten worden sei, dass die Waffen nach Hamburg gebracht worden seien. „Bis Ende März 2021 waren die Waffen im Besitz der Polizei. Wann die Munition der Gemeinde übergeben worden ist, kann nicht rekonstruiert werden”, erklärt Weede weiter.
Eine Ermittlung gegen den Beschuldigten K. aus Hörsten zu genau diesen Waffen und der Munition fand zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht statt.
Etwa zwei Jahre vergehen. Im März 2023 reagiert dann die Gemeinde Seevetal. Der Grund: Die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen den Tatverdächtigen K. unter anderem wegen des unerlaubten Besitzes eines Butterfly Messers aus der Durchsuchung im September 2020. Das Verfahren wurde gegen eine Geldstrafe in Höhe von 350 Euro im Dezember 2022 eingestellt. Paralell dazu begann die Gemeinde Seevetal mit der Aufarbeitung des Falles. Sie prüft mit einem anerkannten Waffenexperten die Munition und Waffen und stellt fest: Diese fallen teilweise unter das Kriegswaffenkontrollgesetz. „Wir können uns nicht erklären, warum die im September 2020 sichergestellten Sachen nie Gegenstand einer Ermittlung geworden sind“, sagt Seevetals Bürgermeisterin Emily Weede.
Da die Gemeinde jedoch nicht strafrechtlich vorgehen könne, habe man das Ministerium um Unterstützung gebeten. „Wir sind dankbar für diese Unterstützung“, so Weede.
Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hat jetzt wieder die Ermittlungen aufgenommen. „Hierbei geht es erst einmal um die Begutachtung der Waffen und Munition”, sagt Staatsanwältin Wiebke Bethke gegenüber seevetal-aktuell.de. Das werde einige Zeit in Anspruch nehmen, so die Staatsanwältin. Alleine das Vorab-Gutachten der Gemeinde Seevetal umfasse bereits rund 66 Seiten.
Den Tatverdächtigen K. aus Hörsten, bei dessen Durchsuchung auch diverse Artefakte aus der NS-Zeit gefunden worden sind, hat die Gemeinde Seevetal nun erstmal als waffenuntauglich erklärt. Auch das Innenministerium des Landes Niedersachsen ist in den Fall mit einbezogen. Eine genau Aufarbeitung über die Versäumnisse der einzelnen Behörden ist nun Aufgabe der jeweiligen Verwaltungen. (tj)